Das Poesiealbum als Quelle für die Autobiografie

Es lag auf meinem Geschenktisch zum zehnten Geburtstag, in extravaganter Trapezform und Krokodilleder-Optik. Was war ich stolz. Wer reinschreiben durfte, folgte ungeschriebenen Regeln und wurde dünn mit Bleistift in die obere Ecke jeder Doppelseite notiert. Den Anfang machten die Großeltern, Mutter und Tante, es folgten ausgewählte Lehrer, die besten Freundinnen, die Mitschülerinnen und – einige wenige – Mitschüler. Drei Jahre war es insgesamt unterwegs von Person zu Person, dann war es voll, abgesehen von einigen freien Seiten zwischendurch. Auch die für »Vati« vorgesehenen blieben leer.

Wenn ich dieses unvergleichliche Zeitdokument heute durchblättere, tauche ich ein in meine Kindheit. Ich erinnere mich an die Freundinnen und was mich mit ihnen verband. Und mir fällt wieder ein, wie ich mich über geistreiche Verse, kleine Zeichnungen und hübsche Lackbildchen, manche sogar mit Silberglitzer, gefreut habe. Doch auch der Ärger über schnell hingeschmierte Zeilen mit Fehlern und unpassende Illustrationen ist noch präsent.

Wenn die meisten Verse auch banal und sprichwörtlich waren, sie machen den antimodernen Zeitgeist deutlich, der Mitte der 1960er Jahre noch herrschte. Beschworen wurden vor allem Fleiß, Bescheidenheit, Gottvertrauen, Pflichtbewusstsein, Heimat- und Mutterliebe und dass die Schreiberin nicht vergessen werden möchte. Das allerdings hat nur eingeschränkt funktioniert: Zu manchem Namen stellt sich absolut keine Erinnerung mehr ein.

Haben Sie Ihr Poesiealbum oder Freundschaftsbuch aufbewahrt? Wie geht es Ihnen, wenn Sie es durchblättern? An was und an wen erinnern Sie sich? Welche Geschichten fallen Ihnen ein? Schreiben Sie sie auf.

Weitere Schreibanregungen finden Sie in:

Erinnern, Strukturieren, Schreiben. So gelingt Ihre Autobiografie oder Biografie.
Norderstedt: BoD 2023, 208 Seiten, 12 Abb., 16 €
(E-Book 7,99 €), ISBN 978-3-7460-8944-7

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