Das autobiografische Versprechen

In einem früheren Beitrag habe ich die unterschiedlichen biografischen Gattungen vorgestellt. Wenn Sie sich dafür entscheiden, eine Autobiografie zu schreiben, sollten Sie eines unbedingt tun: sich mit einem Versprechen zur Wahrheit verpflichten. Bieten Sie den Leserinnen und Lesern einen »autobiografischen Pakt« (Begriff von Philippe Lejeune) an. Damit versichern Sie, dass Sie als Verfasserin und Verfasser sowohl mit der textinternen Erzählinstanz als auch mit der Hauptfigur identisch sind.

Zugleich erklären Sie, dass es Ihre eigene Geschichte ist, die Sie schildern. Das Ich, von dem Sie erzählen, ist dasselbe Ich, das erzählt, oder – wenn aus einer Er- oder Sie-Perspektive geschrieben wird – Autor, Erzähler und Protagonist sind deckungsgleich. Auf diese Weise grenzen Sie sich klar von der Fiktion ab, in der ein Ich-Erzähler keinesfalls mit dem Schreibenden gleichgesetzt werden darf, selbst dann nicht, wenn beide denselben Namen tragen.

Wie Sie dieses Versprechen formulieren?

Üblicherweise in Form von sogenannten Paratexten, also von Informationen, die kein Bestandteil des Haupttextes sind, sondern ihn begleiten. Dazu gehört etwa ein Titel oder Untertitel, der eindeutig auf die Gattung verweist, wie zum Beispiel »Autobiografie« oder »Lebenserinnerungen«. Ein Possessivpronomen der ersten Person wie »Mein Leben«, »Meine Reise« oder »Mein Deutschland« hebt den Aspekt des Selbsterlebten hervor. Eine klare Zuordnung erlauben außerdem Hinweise im Klappentext (»XY erzählt ihre Kindheit und Jugend«) oder in einem Vorwort, das Erscheinen in einem Sachbuchverlag bzw. einem Programmbereich für nichtfiktionale Literatur, Werbung und Präsentation in einer Sachbuchrubrik wie zum Beispiel »Biografien & Erinnerungen«.

Der Wirklichkeitseffekt

Indem Sie mitteilen: In diesem Buch wird ein empirisches Leben, wird mein Leben geschildert, steuern Sie die Lektüreerwartung. Leserinnen und Leser erachten den Inhalt für wahr, im Sinne von tatsächlich erlebt und nachprüfbar. Dieser Wirklichkeitseffekt macht das Besondere einer Autobiografie aus. Dass die Geschichte, mag sie noch so unwahrscheinlich klingen, sich genauso zugetragen hat, erzeugt bei Lesenden wesentlich größere emotionale Nähe, Identifikation, Empathie, Betroffenheit und Bewunderung, als wenn sie ein Produkt der Einbildungskraft wäre. Der Wert des Authentischen steht so sehr im Vordergrund, dass die literarische Ästhetik dahinter zurücktritt. Die Wahrheit ist wichtiger als eine künstlerisch geformte Sprache.

Erinnern, Strukturieren, Schreiben. So gelingt Ihre Autobiografie oder Biografie.
Norderstedt: BoD 2023, 208 Seiten, 12 Abb., 16 €
(E-Book 7,99 €), ISBN 978-3-7460-8944-7

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Ein Gedanke zu „Das autobiografische Versprechen

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