Mit einer kleinen, aber sehr motivierten Schreibgruppe verlebten wir Mitte Mai ein intensives und abwechslungsreiches Wochenende in Husum auf den Spuren Theodor Storms. In unserer Erinnerung hatten wir Storm als etwas angestaubten, unzeitgemäßen Autor gespeichert, und so waren wir überrascht, wie frisch und modern er uns in vielen seiner Werke begegnete. Die Natur- und Erlebnislyrik, vor allem seine Gedichte über das Meer, die von Liebe, Sehnsucht und Heimweh handeln, überraschten uns durch Einfachheit und konkrete, sinnliche Bilder, die heute genauso anschaulich sind wie vor mehr als hundertfünfzig Jahren. Unter anderem ließen sich die Teilnehmerinnen zum lyrischen Spiel mit dem Mond anregen (z. B. als Antwort auf Storms Gedicht Mondlicht: Wie liegt im Mondenlichte/ Begraben nun die Welt). Liz Echelmeyer schrieb dazu:
Wenn Krähen Krähen etwas krähen
lässt sich im Park kein Wort verstehen.
Rollt nächtens dann der Mond vorbei,
herrscht noch immer dies Geschrei.
Ja, die Krähen, ihnen begegnen wir gleich noch einmal.
Doch vorher waren die Gattung der Novelle und natürlich Storms „Schimmelreiter“ unser Thema. Wieder mussten wir unsere Erinnerungen revidieren: Hauke Haien erwies sich als psychologisch sehr komplex gestalteter, gebrochener Charakter, und nicht als Superheld, wie er uns teilweise zu Schulzeiten vermittelt worden war.
Am Samstagnachmittag spazierten wir an allen sieben Häusern vorüber, in denen Storm in Husum gelebt hatte, besuchten sein Grab auf dem St.-Jürgen-Friedhof, das zauberhafte Storm-Museum mit dem „Poetenstübchen“ und Storms Denkmal im Schlosspark. Anschließend war es möglich, ein mehr oder weniger ernsthaftes Resümee zu ziehen: Husum – grau oder bunt?
Die bunte, graue Stadt
Die Stadt ist bunt, weitab das Meer
wozu kam ich nach Husum her?
Auch Nebel hat’s mitnichten;
wir kamen her zum Dichten.Der Schlosspark rauscht, die Krähen krähn,
und Grün ist überall zu sehn;
schon schlägt der Mai uns in den Bann;
doch wie geh ich das Dichten an?Es ist, wie’s ist, so sei es drum,
wir bummeln erst in Husum rum,
schon steht nach Schreiben mehr der Sinn,
wir kriegen’s jetzt ganz leidlich hin.Drum danken wir nun herzlich sehr
der bunten, grauen Stadt am Meer!
Liz Echelmeyer (Münster), Mai 2014